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Leben und arbeiten mit einer Hörbeeinträchtigung

Cinzia Porriciello arbeitet seit über 28 Jahren bei der kantonalen Verwaltung. Sie ist Co-Leiterin des Sekretariats Regierungsgeschäfte bei der Landeskanzlei. Im Gespräch teilt sie uns mit, wie sie mit ihrer Hörbeeinträchtigung ihre Arbeit meistert.
Seit wann lebst du mit einer Hörbeeinträchtigung, und wie wirkt sich diese auf deinen Alltag aus?
Ich bin seit knapp 30 Jahren hörbehindert. Anfangs wollte ich es nicht wahrhaben, bis eine ehemalige Arbeitskollegin mich zu einem Hörtest aufforderte, nachdem sie mehrfach etwas wiederholen musste. Beim Test wurde ein Hörverlust von knapp 80 Prozent auf beiden Ohren festgestellt. Heute liegt er bei 96 bis 98 Prozent. Dies zu akzeptieren fiel mir anfangs schwer, da ich Hörgeräte mit alt sein verband. Doch ohne sie höre ich nichts. Dank Hörhilfe kann ich Vogelgezwitscher oder Konzerte geniessen. Zum Schlafen nehme ich das Hörgerät heraus und schätze die Ruhe. Geweckt werde ich vom Wecker, der am Morgen stark unter meinem Kopfkissen vibriert.
Wie erlebst du deinen Arbeitsalltag mit der Hörbeeinträchtigung?
Sehr anstrengend. Mein Job erfordert Präzision und hohe Konzentration. Gleichzeitig muss ich mich stark bemühen, Gespräche zu verfolgen. Verstehe ich ein Wort nicht, muss ich den Zusammenhang erschliessen, während das Gespräch weiterläuft. Lippenlesen hilft, aber nicht immer. Dann muss ich nachfragen.
Da eine Hörbehinderung nicht sichtbar ist, reagieren manche ungeduldig, wenn sie sich wiederholen müssen. Ich erkläre dann meine Situation. Meine Kolleginnen und Kollegen, die Leitungspersonen sowie die Mitglieder des Regierungsrats wissen Bescheid und achten darauf, deutlich zu sprechen und Blickkontakt zu halten. Diese Unterstützung schätze ich sehr.
Welche Herausforderungen gibt es in der Kommunikation als Co-Leiterin des Regierungssekretariats?
Meine Kollegin Sabine Brendler und ich haben unseren Arbeitsplatz so gestaltet, dass mein «besseres» Ohr zu ihr gerichtet ist. Sie spricht bewusst deutlich und lauter. Wenn nötig, nutzen wir die schriftliche Kommunikation – sie schreibt mir dann einzelne Worte auf.
Welche Kommunikationsmittel unterstützen dich besonders?
Ich erledige vieles online. Mein absolutes Lieblingsprogramm ist Outlook – E-Mails sind für mich die sicherste Kommunikationsform. Weiter verbindet sich mein Hörgerät via Bluetooth mit dem Handy oder Laptop, sodass ich Gespräche direkt ins Ohr übertragen bekomme. Dies funktioniert aber nur, wenn mein Gegenüber deutlich ins Mikrofon spricht.
Seit dem Umbau des Regierungsgebäudes sind die Sitzungszimmer mit Schallschutzelementen ausgestattet. Dies hilft mir, weil es dann weniger Hall gibt. Im Landratssaal gibt es eine moderne Höranlage mit T-Spulen, die Gespräche direkt auf mein Hörgerät übertragen. Mein Akustiker hat es entsprechend programmiert. Auch dies funktioniert nur, wenn deutlich ins Mikrofon gesprochen wird.
Wie wirken sich neue Kommunikationstechnologien auf deinen Arbeitsalltag aus?
Seit der Einführung der Jabber-Telefonie verfüge ich eigens über ein Geschäftshandy. Dank der darauf installierten App wird ein Gespräch direkt aufs Hörgerät übermittelt. Online-Meetings sind für mich ebenfalls hilfreich, da ich das Laptop mit dem Hörgerät koppeln kann. Der Wechsel zwischen verschiedenen Geräten erfordert jedoch Zeit, da mein Hörgerät das zuletzt verbundene Gerät priorisiert.
Welche technischen Hilfsmittel nutzt du?
Ich habe ein Mikrofon, das ich in Sitzungen der sprechenden Person geben kann, um sie besser zu verstehen. In grösseren Gruppen bringt es jedoch Nachteile, da ich nur die Person mit Mikrofon höre und dem Gesprächsverlauf nicht immer folgen kann. Optimal ist dies deshalb leider nicht immer.
Welche Verbesserungen in der Kommunikation nimmst du im Vergleich zu früher wahr?
Die Technik hat sich enorm entwickelt. Meine ersten Hörgeräte konnten vieles nicht. Heute kann ich über eine App Störgeräusche in Restaurants reduzieren. Mein aktuelles Power-Hörgerät passt sich automatisch an die Umgebung an und «verfolgt» in einer Gruppe jeweils die sprechende Person. Bei Telefongesprächen kann ich das Handy direkt mit den Hörgeräten verbinden – früher musste ich auf Lautsprecher umstellen. Zuhause nutze ich einen Bluetooth-Adapter für den Fernseher und mehr zum Spass lese ich zusätzlich die Untertitel mit.
Gibt es Strategien, um deine Hörfähigkeit zu optimieren?
Mir ist bewusst, dass das Hören zunehmend schwieriger wird. Daher habe ich im Dezember einen Lippenlesekurs besucht. Zudem habe ich festgestellt, dass ich regelmässig Phasen der Ruhe brauche (Hörpausen). Auch hilft mir die Möglichkeit, dass ich mich in ein eigenes Büro zurückziehen kann, wenn ich konzentriert und in Ruhe arbeiten möchte.
Fällt es dir leicht, Missverständnisse anzusprechen?
Früher fiel es mir schwer, ich habe einfach genickt, auch wenn ich etwas nicht genau verstanden habe. Ich war danach unsicher und frustriert. Heute spreche ich es in solchen Fällen direkt an. Dennoch bin ich bei Missverständnissen im Nachteil, weil sich Gesagtes nicht beweisen lässt. In Gruppen frage ich manchmal eine vertraute Person neben mir, wenn mir etwas unklar ist.
Wie können hörende Kolleginnen und Kollegen dich unterstützen?
Wichtig ist, dass sie mich beim Sprechen anschauen, deutlich und nicht zu schnell sprechen. Gespräche ermüden mich, weil ich mich ständig konzentrieren muss. Es hilft mir auch, wenn andere Verständnis haben, wenn ich beispielsweise an einem Apéro nicht teilnehmen möchte oder in der Mittagspause allein an einem Tisch sitze, weil ich eine Hörpause brauche.
Was möchtest du anderen Menschen mit einer Hörbeeinträchtigung mitgeben?
Zeigt euch und sprecht über eure Hörbeeinträchtigung, auch wenn das Vorurteil besteht, dass Hörgeräte nur für ältere Menschen sind. Kennt eure Grenzen und akzeptiert euch, wie ihr seid. Wenn das Hören schwieriger wird, nehmt euch bewusste Hörpausen. Der Beitritt zum Schwerhörigenverein Nordwestschweiz, welcher seit letztem Jahr Online-Erfahrungsaustausch für erwerbstätige Menschen mit Schwerhörigkeit kostenlos anbietet, war für mich entscheidend. Der Austausch mit anderen Betroffenen ist unglaublich wertvoll.
Vielen Dank für das offene und spannende Gespräch.
Interview: Erna Truttmann, Landeskanzlei (Fotos: Beat Flükiger, Landeskanzlei)
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Weitere Informationen
- Schwerhörigenverein Nordwestschweiz: Startseite - Schwerhörigen-Verein Nordwestschweiz
- Pro Audito Schweiz: Pro Audito - die führende Anlaufstelle für Menschen mit Schwerhörigkeit in der Schweiz
- Schlussbericht Beschäftige mit Schwerhörigkeit (BEMIS) – Bericht zum Forschungsprojekt «Erwerbstätigkeit und Schwerhörigkeit», Fachhochschule Nordwestschweiz: schlussbericht-bemis_02.04.2024.pdf
- Factsheet Schwerhörigkeit und Erwerbstätigkeit: https://www.pro-audito.ch/wp-content/uploads/2024/05/schwerhoerigkeit-und-erwerbstaetigkeit_factsheet.pdf
