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Spätgotische Ölberggruppe, St. Peter und Paul
Die äusserst wertvolle Ölberg-Gruppe ist der römisch-katholischen Kirchgemeinde von einem Gemeindemitglied 1964 geschenkt worden. Seit diesem Zeitpunkt ist sie im Kirchenraum aufgestellt und wird von den Gläubigen verehrt. Zum wiederholten Male sind Brandanschläge auf die spätgotischen Figuren verübt worden, das letzte Mal im Jahre 1999. Die beigezogene Restauratorin und die Kantonale Denkmalpflege stellten fest, dass es sich hier um eine äusserst wertvolle, aus dem oberrheinischen Kunstkreis stammende Figurengruppe handelt, die möglicherweise aus dem frühen 16. Jahrhundert stammt. Die Figurengruppe ist bis heute in der Fachliteratur nicht publiziert. Die durch die wiederholten Brandanschläge teilweise stark beschädigten Figuren werden gesichert und restauriert. Die Ölberg-Gruppe stellt die Szene im Garten Gethsemane dar.
Nach der Schilderung in den Evangelien ging Jesus nach dem Abendmahl mit den Jüngern über den Bach Kedron zum Garten Gethsemane am Fusse des Ölbergs. Er liess die Jünger am Garteneingang zurück und nahm nur Petrus, Jakobus und Johannes mit sich. Er entfernte sich einen Steinwurf weit von allen Jüngern und kniete nieder und betete zu seinem Vater: Vater, alles ist dir möglich; lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Seine Jünger schliefen und Jesus bat sie zu wiederholtem Male, mit ihm zu wachen und zu beten. Dann forderte er die Jünger auf, sich zu erheben mit dem Hinweis auf das Nahen des Verräters. Diese dramatische Szene ist in den frühen Jahrhunderten nur vereinzelt und sehr zurückhaltend dargestellt worden. Christus in seiner Schwäche und im Hader zu Gottvater bildnerisch zu zeigen, war weniger gefragt. Gegründet auf die mystischen Strömungen des 15. Jahrhunderts und ihr dem Verlangen des Volkes entgegenkommenden Vergegenwärtigungsbestreben, löste sich die Ölbergszene aus den Passionszyklen und wurde zum selbständigen Andachtsbild.
Diese entwickelten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts zu vollplastischen Darstellungen, die sich bis in die Zeit des Barocks im 17. und 18. Jahrhundert grosser Beliebtheit erfreuten. Die Ereignisse am Ölberg waren Inhalt von Prozessionen, Andachten und Predigten am Gründonnerstag (Ölbergandachten) und auch Thema der stillen, persönlichen Andachten der Gläubigen. Der Ölberg war Trost- und Mahnbild für die jenseitsorientierten Menschen jener Zeit. Seuchen, Kriege, Hungersnöte und Naturkatastrophen führten im späten Mittelalter zu einer eindringlichen Beschäftigung des Menschen mit dem Tod. In seiner Angst und in seinen verzweifelten Bitten zu Gottvater, er möge den Kelch an ihm vorüberziehen lassen, steht Christus dem Menschen im Augenblick des Todes sehr nahe. Christus galt als Vorbild in der eigenen Unterwerfung unter den göttlichen Willen. So ist es auch nicht erstaunlich, dass der Grossteil der Ölberg-Gruppen in der Nähe der Friedhöfe platziert waren, an der Südseite der Kirche in Nischen, in Beinhäusern oder in eigenen Kapellen. Sie fanden jedoch auch Platz im Kirchenraum selbst, in Nebenräumen, Querhäusern, Vorhallen, Seitenschiffen oder Kapellenanbauten.
Die vollplastische Darstellung des Ölbergs ist vor allem ein Thema der süddeutschen Kunst. Man findet sie hier in grosser Dichte, jedoch auch im Norden Deutschlands, in Österreich, in Frankreich, insbesondere im Elsass und in der Schweiz. In der Schweiz haben sich Ölberge seltener erhalten, belegt sind sie vor allem in der Innerschweiz, im Aargau und im Wallis. Aufgrund der grossen Bedeutung der Ölberg-Darstellung für den Totenkult kann angenommen werden, dass im Spätmittelalter nahezu jede grössere Pfarrei einen Ölberg besass.
In unserer Region sind die meisten Ölberg-Darstellungen in Museen aufgestellt, in Stans (Pfarrkirche St. Peter und Paul) und in der St. Verena-Schlucht bei Solothurn haben sich solche am ursprünglichen Aufstellungsort bis heute erhalten.
Die Ölberg-Gruppe von Allschwil besteht aus drei Figuren:
Der schlafende Petrus ist liegend dargestellt. Den Kopf auf seine rechte Hand gestützt, liegt er mit leicht angezogenen Beinen auf der Erde. Der Mantel legt sich hüllend um den Körper und bildet gleichzeitig eine Unterlage für den müden Petrus. Der Leibrock ist um die Hüfte gegürtet. Die stark ausgebildeten Mantelfalten werfen deutliche Schatten und vermitteln nicht nur die Schwere des Mantelgewebes, sondern auch den tiefen Schlaf, der Petrus heimgesucht hat. Das Haupt ist umrahmt von stark gerollten Haarlocken, die Gesichtszüge sind klar, der Mund ist entspannt und leicht geöffnet.
Apostel Johannes kniet an einen Sockel gelehnt, auf dem ein geschlossenes Buch liegt. Der blau gefasste, weite Mantel umhüllt nicht nur den Körper des eingeschlafenen Johannes, sondern führt schützend um das lockige Haupt. Mit der Rechten abgestützt auf dem Sockel, liegt die linke Hand bedeutungsvoll auf dem geschlossenen Buch. Das für Johannes typisch jugendliche Gesicht wird von langem, schwer fallendem Lockenhaar umfasst. Die Haltung der Figur ist deutlich ablesbar unter der Hülle des Mantels. Der Faltenwurf konzentriert sich über den Knien und auf dem Boden.
Die Figur des Christus zeigt die künstlerische Charakteristik der beiden Apostelfiguren: Das Haupt ist gerahmt von langen, lockigen Haaren, die kniende Haltung ist gerade durch die beiden deutlich sich abzeichnenden Oberschenkel erkennbar. Die Hände zum flehenden Gebet erhoben, verharrt die Figur mit leicht gebrochenen Augen in der Zwiesprache mit Gottvater. Deutlich wird aber der Unterschied bezüglich der Mantelgestaltung. Vermittelt bei den Apostelfiguren die faltenreiche Fülle des Mantels die Tiefe des Schlafes, so scheint bei Christus das Gewand sich eng um den Körper zu legen; die längsfallenden Falten wirken eher nervös und vermitteln anschaulich den Zustand der Verzweiflung und des Haders, in dem sich Christus befindet.
Die hier kurz dargestellte Charakterisierung der drei Figuren zeigen die hohe Qualität des Meisters an, der es verstanden hat, den Seelenzustand der Figuren und die Dramatik der Szene augenfällig zu vermitteln. Die relativ statuarische Haltung der Figuren, die feinmodellierten Gesichter und die emotional bewegte Faltengestaltung sind Stilmittel, die für das ausgehende 15. Jahrhundert charakteristisch sind. Ikonographie wie auch stilistische Parallelen zu Figuren in den Museen des Oberrheins machen eine Datierung um 1500 wahrscheinlich. Eine ausführliche kunsthistorische Studie liegt bis heute jedoch nicht vor. Stilistische Parallelen und motivische Einzelheiten können auf den Umkreis der Werkstatt von Martin Hoffmann hinweisen, der von 1507 - 1531 in Basel nachzuweisen ist. Im Musée de l'Oeuvre Notre-Dame in Strassburg befindet sich eine Christusfigur, die nach jüngsten Forschungen der Werkstatt Hoffmann zugeschrieben wird und grosse stilistische Gemeinsamkeiten mit der Allschwiler Ölberg-Gruppe hat. Für einen weiteren Vergleich ist auch die Figurengruppe der schlafenden Jünger aus Baden (Kanton Aargau) heranzuziehen, die in das ausgehende 15. Jahrhundert oder in das beginnende 16. Jahrhundert zu datieren ist.
Die Ölberg-Gruppe ist eine künstlerisch hochstehende Arbeit der Spätgotik und gehört als bedeutender Zeuge zum oberrheinischen Kunstkreis. Sie vermittelt die Frömmigkeit des Spätmittelalters, wie sie in unserer Region gelebt worden ist.
Kantonal geschützt seit 2003.