- Basel-Landschaft
- Organisation
- Direktionen
- Sicherheitsdirektion
- Medienmitteilungen
- Erster Grosselternkongress im Baselbiet
23.05.2012
Erster Grosselternkongress im Baselbiet
Erster Grosselternkongress im Baselbiet - Bedeutung der Grosseltern für Gesellschaft und Familie
Grosseltern sind weit mehr als blosse Märchen-Erzähler für die Enkel. Dank ihrer Betreuungsleistungen müssen viele Eltern nicht zwingend professionelle Betreuung in Anspruch nehmen. Der Familienbericht, welcher 2011 im Kanton Basel-Landschaft erstellt wurde, zeigt auf, dass 32% der Familien mit Kindern unter 12 Jahren auf die regelmässige Betreuung durch Grosseltern oder andere Familienangehörige zurückgreifen. Für Familien mit Kindern, welche noch nicht den Kindergarten besuchen, ist diese Form der Betreuung sogar noch wichtiger. Der erste Baselbieter Grosselternkongress beleuchtet die Bedeutung der Grosseltern unter volkswirtschaftlichen, sozialen und gesundheitlichen Aspekten.
Grosseltern leisten jährlich knapp 92 Millionen Stunden Betreuung - was bedeutet das für unsere Volkswirtschaft?
Die Wohlstandentwicklung wird oft am Wirtschaftswachstum gemessen. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich aber nur die bezahlte Arbeit. Wenn wir wissen möchten, wie es um die Wohlfahrt unserer Bevölkerung geht, ist die Verfügbarkeit von unbezahlter Arbeit, von gegenseitiger Unterstützung von grosser Wichtigkeit. Deshalb wird die gelebte Familiensolidarität zunehmend auch in Zahlen ausgedrückt. Wenn eine Verlagerung von der unbezahlten zur bezahlten Kinderbetreuung stattfindet, so steigt zwar das Brutto-Inlandprodukt - die Wohlfahrt der Menschen hat sich jedoch nicht verändert. Deshalb ist der Erhalt der Familiensolidarität ein so wichtiger Faktor für die nationale Wohlfahrt. Heidi Stutz, Wirtschaftshistorikerin
Miteinander Kinder gross ziehen: Eine Eigenheit des Menschen
Verglichen mit Menschenaffen hat der homo sapiens, einen anderen Lebensverlauf: unsere Kinder entwickeln sich langsamer, wir leben länger, haben höhere Geburtsraten und die Menopause setzt viel früher ein. Diese physiologischen Änderungen korrelieren mit wichtigen Verhaltensweisen der Menschen, welche sie fast noch stärker von den Menschenaffen unterscheiden. Unsere Vorfahren lebten als Jäger und Sammler. Aufgrund ethnologischer Vergleiche läst sich beobachten, dass bei Jäger-Sammler-Gemeinschaften schon ganz junge Kinder von vielen betreut werden. Jedes Kind in so einer Gemeinschaft hat also mehrere Betreuer, die es alle gut kennt, und die mehr oder weniger bedingungslos dem Kind helfen. Durch die Zusammenarbeit bei der Kinderbetreuung gelang es unseren Vorfahren unter den ganz lebensfeindlichen Bedingungen der afrikanischen Savanne zu überleben. Grosseltern, insbesondere Grossmütter, die es als Folge der Menopause nur bei Menschen gibt, spielen dabei eine essentielle Rolle. Carel van Schaik, Anthropologe
Grosseltern und Kindertagesstätten: Konkurrenz oder Ergänzung?
Die Anzahl betreuender Grosseltern zwischen den Ländern Europas variiert stark. In Schweden, Dänemark und Frankreich betreuen sehr viel mehr Grosseltern ihre Enkelkinder als im europäischen Süden. Um dieses auf den ersten Blick überraschende Ergebnis richtig zu interpretieren, ist aber die Intensität der geleisteten Betreuung mit zu berücksichtigen. Grossväter und -mütter, die in Italien und Spanien bei der Betreuung der Enkel helfen, tun dies sehr viel intensiver als nordeuropäische Grosseltern, welche meist nur ab und zu auf ihre Enkel aufpassen. Diese nationalen Unterschiede in Bezug auf Enkelbetreuung lassen sich auf unterschiedliche familienpolitische Massnahmen innerhalb der untersuchten Länder zurückführen. Investitionen in staatliche Kinderbetreuungseinrichtungen wirken sich positiv auf die Anzahl der betreuenden Grosseltern aus, sie betreuen die zahlreicheren Enkelkinder jedoch jeweils über eine kürzere Zeit pro Woche.
Staatliche Leistungen bei der Kinderbetreuung lösen somit komplementäre innerfamiliäre Leistungen aus: die Grosseltern sind da, wenn Randzeiten zu überbrücken oder kranke Kinder zu betreuen sind. Corinne Igel, Soziologin
Grosseltern und Enkel: eine moderne Beziehungskiste
Die Vorstellungen zu Großelternschaft sind einerseits durch tief verankerte Stereotype geprägt, wobei Großelternschaft zu den wenigen positiven Altersstereotypen gehört. Andererseits unterliegen die Beziehungen zwischen Großeltern und Enkelkindern einem raschen Wandel. Dafür sind demographische Veränderungen (geringe Geburtenraten, verlängerte Lebenserwartung) und soziale Wandlungsprozesse (neue Familienformen, und aktivere Gestaltung der zweiten Lebenshälfte) verantwortlich. Die verlängerte Lebenserwartung hat zu einer Ausdehnung der gemeinsamen Lebensspanne von Großeltern und Enkelkindern beigetragen. Eine geringe Geburtenrate trägt dazu bei, dass in mehr Familien die Zahl an Großeltern die Zahl an Enkel übersteigt.
Biographisch betrachtet bietet die Geburt von Enkelkindern und ihr Aufwachsen für ältere Menschen eine Gelegenheit, erneut enge, persönliche Kontakte zur jüngsten Generation zu pflegen. Eine Großmutter oder ein Großvater wird im Kontakt mit den Enkelkindern symbolisch mit zwei Kindern konfrontiert; dem Kind aus der Vergangenheit in sich und dem Kind aus der Gegenwart vor sich. Lebensgeschichtliche Erzählungen und die Tradierung des familialen Gedächtnisses sind deshalb bedeutsame Bestandteile in der Beziehung zwischen Großeltern und Enkelkindern. Neuerdings benützen aktive Großeltern die Beziehung zur jüngsten Generation gezielt als ‚sozialer Jungbrunnen‘: Enkelkinder halten ältere Menschen à jour und erlauben an eigene Kindheit oder Elternschaft anzuknüpfen. Männer können im Kontakt mit Enkelkindern aus beruflichen Gründen verpasste Erziehungserlebnisse nachholen. François Höpflinger, Soziologe
In der anschliessenden Podiumsdiskussion werden die eigenen Erfahrungen im Generationennetzwerk im Lichte der gehörten Vorträge reflektiert. Auf dem Podium diskutieren unter der Leitung von Cornelia Kazis, Publizistin und Redaktorin SRF:
Andreas Koellreuter, alt Regierungsrat, Grossvater
Heidi Witzig, Historikerin, Mitglied Grossmütterrevolution, Grossmutter
Regula Meschberger, Landrätin und Schulleiterin, Grossmutter
Heinz Gerster, aktiv in der regionalen Seniorenpolitik, Grossvater
Katrin Bartels, Leiterin Fachstelle für Familienfragen, Mutter
Für Rückfragen:
Katrin Bartels, Leiterin Fachstelle für Familienfragen, Tel. 061 552 65 19
Liestal, 23. Mai 2012

Regierungsrat Isaac Reber |

Über 100 Teilnehmende folgten der Einladung der Fachstelle für Familienfragen |

Podium (v.l.n.r.): Heinz Gerster, aktiv in der Seniorenpolitik und Grossvater; Regula Meschberger, Landrätin, Schulleiterin und Grossmutter; Katrin Bartels, Leiterin Fachstelle für Familienfragen und Mutter; Cornelia Kazis, Publizistin und Redaktorin SRF; Heidi Witzig, Historikerin, Mitglied Grossmütterrevolution und Grossmutter; Andreas Koellreuter, alt Regierungrat und Grossvater |

Katrin Bartels in einem Interview mit dem Südwestrundfunkradio |