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«Fehler sind da zum Lernen – Inklusion ist ein Gewinn für alle»
Zwei Gäste, zwei inspirierende Perspektiven: Für Künstler und Aktivist Michael Herrmann bedeutet Inklusion echte Gleichwertigkeit statt Sonderbehandlung. Radiomoderator Patrick Brechbühl sprach über die Hürden, die Menschen mit psychischen Erkrankungen in der Kultur begegnen – ein Austausch, der berührte und zu neuen Ideen wie einem «Kooperationsatelier» inspirierte.
Zweiter «Apéro inklusiv» des Amts für Kultur
Ein Abend voller Impulse und Austausch
Beim zweiten «Apéro inklusiv» des Amts für Kultur Basel-Landschaft füllten rund 60 Teilnehmende das Museum.BL in Liestal. Anwesend waren Menschen mit und ohne Behinderungen, darunter Kulturschaffende, Vertreterinnen und Vertreter von Kulturinstitutionen, Behindertenorganisationen, Gemeinden sowie weitere Interessierte. Esther Roth, Leiterin des Amts für Kultur, begrüsste die Gäste, darunter auch Landratspräsident Peter Hartmann, und betonte: «Inklusion ist nicht nur ein Ziel, sondern eine gemeinsame Verantwortung».
Gesprächsrunde: Kunst, Kultur und psychische Gesundheit
Paola Pitton, Fachverantwortliche für Inklusion im Amt für Kultur, moderierte die Gesprächsrunde mit Michael Herrmann und Patrick Brechbühl. Im Mittelpunkt standen deren persönliche Erfahrungen und ihr Engagement für mehr Inklusion im Kulturbereich.
«Die Arbeit am Speckstein führte mich zurück ins Leben»
Michael Herrmann (54) ist gelernter Tiefbauzeichner, war lange in der Eventbranche tätig, bevor ihn eine Krise aus der Bahn warf. Die Arbeit mit Speckstein ermöglichte seinen Weg zurück ins Leben.
Anhand seiner mitgebrachten Kunstwerke veranschaulichte er seinen psychischen Prozess: «Beim Schleifen der Steine konnte ich mich ganz auf mich fokussieren und entdeckte dabei den Zugang zu einem meditativen Flow».
Heute lebt Herrmann in Zürich und setzt sich als Künstler und Aktivist für mehr Inklusion ein. Er stellt fest, dass Kunst von Menschen mit Behinderungen oft als «besondere Kunst» kategorisiert wird, statt als gleichwertiger Teil der Kulturlandschaft anerkannt zu werden. Sein klares Statement: «Ob der Künstler schwarz, gelb oder behindert ist, das ist doch egal».
«Schreiben ist für mich ein Ventil»
Patrick Brechbühl (34) lebt im Oberbaselbiet und ist gelernter Speditionskaufmann. Er war für die Schweizer Armee in der Friedensförderung im Kosovo tätig und absolvierte später eine Ausbildung als Radioschaffender.
Brechbühl moderierte Radiosendungen, schreibt Kurztexte und engagiert sich in kulturellen Projekten. Viele Veranstaltungen seien für Menschen mit psychischer Behinderung finanziell oder strukturell oft schwer zugänglich, und es fehle an Rückzugsräumen für die Betroffenen, stellt Brechbühl fest.
Während seines Einsatzes im Kosovo erlebte Brechbühl einen schmerzlichen kulturellen Kontrast: «Im Kosovo erlebte ich trotz Armut eine starke Gemeinschaft und Herzlichkeit – zurück in der wohlhabenden Schweiz hingegen soziale Distanz». Diese Erfahrung löste in ihm eine Sinnkrise aus, die er durch seine kreative Tätigkeit verarbeitete: «Schreiben ist für mich ein Ventil». So flossen Brechbühls Reflexionen über seine Erfahrungen zum einen in das Theaterstück «Ohne Norden» ein und er schrieb seine Gedanken in dem Buch «BEGINNENWIRSOODERSO» nieder.
Mit berührender Stimme rezitierte Patrick Brechbühl ein eigenes Gedicht.
Eingegepfercht
Wie soll ich mich künstlerisch Entfalten,
wenn ich mich fühl eingepfercht,
in diesem Quadratmeter gefangen?
Keine Luft zum Atmen,
Inspiration wird begraben,
keine Ideen, kaum zu ertragen,
löst es aus, nur alte Fragen,
über vergangene Klagen.
Zorn und Groll von früher,
legt sich schleiernd über,
kommt wie ne Welle daher
und fördert des Grübelns Wiederkehr.
Zieht es mich runter, in bekannten Teer,
zieht es in mir hoch, Schild und Speer.
Dachte, würde dies sehen, Nimmermehr.*
Netzwerk und Ideenpool
Die anschliessende Diskussion brachte viele konkrete Ideen und Massnahmen hervor:
- niederschwellige Zugänge zu kulturellen Angeboten schaffen
- finanzielle Barrieren abbauen, um Kultur für alle zugänglich zu machen
- mehr Sichtbarkeit für Künstlerinnen und Künstler mit Behinderungen schaffen
- ein Kooperationsatelier anbieten für einen niederschwelligen Zugang von Künstlerinnen und Künstlern mit und ohne Behinderung u. v. m.
Die Quintessenz: Inklusion ist kein Sonderprojekt, sondern eine Grundvoraussetzung für eine lebendige Kulturlandschaft.
Austausch und Ausblick
Der Abend endete mit offenen Gesprächen bei einem gemeinsamen Apéro. Das Austauschformat «Apéro inklusiv» ist Teil einer Reihe von Veranstaltungen des Amts für Kultur, die seit Herbst 2024 regelmässig stattfinden. Sie fördern den Dialog zwischen Kulturinstitutionen und Menschen mit und ohne Behinderungen.
Der nächste «Apéro inklusiv» findet am 24. Oktober statt.
Weitere Informationen finden Sie hier: Inklusion und Teilhabe - Baselland
Text: Claudia Puzik, Amt für Kultur / Fotos: Matthias Wille
Links zum Thema:
- Atelier Steinzeit von Michael Herrmann
- Verein für Sozialpsychiatrie Baselland (VSP)
*Buch «Beginnenwirsoderso», Verein Sozialpsychiatrie, Nordwestschweiz, 2022 - Patrick Brechbühl, Perspektivwechsel im 2020_Jahresbericht VSP Seite 14.pdf
- Ohne Norden - Ein Theaterstück über psychische Gesundheit in einer kranken Gesellschaft